Die Pritzker-Preisträger und ihre Bauten in Barcelona II
Weitere Pilgerorte für Architekturbegeisterte: Entdecken Sie die Stadt anhand der Gebäudeentwürfe von sechs preisgekrönten Architekten
Barcelona festigt seine Rolle als Bezugspunkt für zeitgenössische Architektur
Wir knüpfen an unseren letzten Blogeintrag an, den wir von Pritzker-Preisträgern in Barcelona realisierten Projekten gewidmet hatten. Darin hatten wir eingangs einige Überlegungen zu dem als höchste Auszeichnung für Architektur geltenden Preis geteilt, insbesondere zu dessen Ursprüngen und Renommee. Ferner hatte unser Hauptaugenmerk auf Projekten gelegen, die Barcelona zum Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts veränderten, angefangen bei jenen Bauten, die anlässlich der Olympischen Spiele errichtet wurden, bis hin zu zwei im Rahmen der Neugestaltung des Stadtviertels Poblenou von Jean Nouvel ausgeführten Projekten. Im Folgenden werden wir uns vor allem auf Entwürfe konzentrieren, die in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind.
Kulturbauten aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts: das Caixa-Forum von Arata Isozaki
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erfuhr Barcelona einen bedeutenden Zuwachs an kulturellen Einrichtungen, unter denen einige von preisgekrönten Architekten entworfene Gebäude nicht fehlen durften. Eines der ersten war das CaixaForum (2002) von Arata Isozaki. ein weiterer erfolgreicher Eingriff des japanischen Meisters, der bei dieser Gelegenheit die Textilfabrik Casaramona von Josep Puig i Cadafalch primär zu einem Ausstellungsraum umgestaltet.
Sein subtiler und eleganter Ansatz lässt das modernistische Gebäude nahezu intakt, wobei dessen Haupthallen durch nur minimale Änderungen ihre Funktion ändern. Um einen Eingriff in die bestehenden Fassaden zu vermeiden, schafft Isozaki einen versunkenen Hof mit klaren Linien, der auf den benachbarten Mies van der Rohe-Pavillon anspielt und direkt in den Eingangsbereich im Untergeschoss überleitet. Eine zwei Bäumen nachempfundene Pergola aus Cortenstahl und Glas markiert den Hauptzugang auf Straßenniveau und verweist auf die Nutzungsänderung.
RCR Arquitectes: Die Transformation eines Blockinnenhofs
Ein weiterer herausragender Kulturbau dieser Zeit ist die Bibliothek Sant Antoni-Joan Oliver (2007) von RCR Arquitectes. Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta die einzigen katalanischen Architekten, die mit dem Pritzker-Preis geehrt wurden. Das Projekt steht im Zusammenhang mit der Rückgewinnung eines für den Stadtteil Eixample typischen Blockinnenhofs und dessen Umwandlung in öffentlichen Raum.
Die Gebäudevolumetrie ist in zwei große Blöcke gegliedert, ein vertikales, an die Straßenflucht der Carrer Comte Borrell angepasstes sowie ein horizontal ausgerichtetes, den neuen Innenhof umgebendes Volumen. Der vertikale Baukörper ist in zwei mit Cortenstahlblech verkleidete Prismen unterteilt, in denen die vertikale Erschließung der Bibliothek untergebracht ist. Diese wiederum werden durch zwei verglaste, mit Leseräumen ausgestattete Prismen überbrückt, die ein riesiges Tor zum Blockinneren bilden. Die Bibliothek erstreckt sich auch über den horizontalen Baukörper und fungiert dank des verglasten Fassadenbands, das sie von der parallel zu ihr verlaufenden inneren Straße trennt, als Übergangselement.
Auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich ein Seniorenzentrum mit Zugang vom Innenhof, in dem zur Förderung des sozialen Miteinanders ein Kinderspielplatz angelegt wurde. Die dem Blockinnern zugewandten Fassaden sind in zwei Schichten aufgebaut, so dass sich ein begehbarer Zwischenraum herausbildet. Dabei ist die innere Gebäudehülle aus Glas, die äußere in Analogie zu den restlichen Fassaden aus Cortenstahlblech ausgeführt.
Richard Rogers markiert den Beginn einer „Pritzker-Achse“
Es ist eher einer Reihe von Zufällen als einer sorgfältigen Planung zu verdanken, dass die Gran Via de les Corts Catalanes zu einer Achse geworden ist, auf der sich mindestens sechs von Pritzker-Preisträgern entworfene Gebäude befinden. Das erste davon befindet sich in einem noch relativ zentral gelegenen Teil der Stadt, der Plaça d’Espanya. und beruht auf einem gleichermaßen interessanten wie kontroversen Planungsvorhaben: der Umwandlung der Stierkampfarena Les Arenes in ein Einkaufszentrum (2011).
Die entstandene Debatte war dabei weniger der Nutzungsänderung geschuldet, sondern vielmehr der Idee, nahezu den gesamten historischen Baukörper abzureißen und lediglich dessen Fassade ab dem ersten Stock zu erhalten. Niemand geringerer als Stararchitekt Richard Rogers ist für diesen radikalen Ansatz verantwortlich, durch den ein durchlässigeres und transparenteres Erdgeschoss geschaffen wird, das für die neue Nutzung geeignet ist. Die verbliebene Fassade wird von einem Beton- und Stahlring ganz im Stil des Architekten getragen, der die technologischen und konstruktiven Elemente mit besonderem Nachdruck einsetzt und sie mit auffälligen Farben hervorhebt. Diese Sprache setzt sich auch im Inneren des Gebäudes fort, wo die neue Metallstruktur das mehrstöckige Foyer auf eindrucksvolle Weise durchdringt.
David Chipperfield erschafft eine Stadt in der Stadt
Auf dem Weg zum Flughafen stoßen wir auf ein noch ehrgeizigeres Projekt als das zuvor genannte. Es handelt sich um die Ciutat de la Justicia (2009), entworfen vom jüngsten Pritzker-Preisträger, dem Briten David Chipperfield, mit dem Ziel, verschiedene zwischen Barcelona und Hospitalet verteilte Justizbehörden zu vereinen.
Dieses kleine städtische Ensemble besteht aus quaderförmigen Gebäuden ähnlicher Bauart, die in einem scheinbar zufälligen Muster auf einer Plattform angeordnet sind, die als öffentlicher Platz fungiert. Vier dieser Gebäude sind durch einen unregelmäßigen Baukörper miteinander verbunden, der sich über die ersten vier Etagen erstreckt. Er beherbergt den Eingangsbereich, ein Ort von hoher räumlicher Qualität, organisiert die Erschließung und fungiert als Filter im Hinblick auf die nicht frei zugänglichen Bereiche.
Die Fassaden aller Baukörper verfügen über ein dichtes Raster tragender Betonelemente, die einen regelmäßigen Rhythmus vertikaler Öffnungen erzeugen. Jedes Gebäude unterscheidet sich in seiner Funktion, Volumen und Farbe, und obwohl die Farbpalette sehr subtil ist, erleichtert die Ausdifferenzierung die Orientierung.
Die Plaça d’Europa: ein neues städtebaulich-architektonisches Zentrum
Die Gran Via überquert die Stadtgrenze Barcelonas und erreicht die Plaça d’Europa in L’Hospitalet de Llobregat, die sich zu einem weiteren wichtigen Pol der Stadterneuerung entwickelt hat. Zwischen 2007 und 2010 erlebte dieser Sektor einen radikalen Wandel mit der Umgestaltung des Platzes nach Plänen von Albert Viaplana und dem Bau mehrerer Hotels, Büros, Wohnungen und Messehallen durch international renommierte Architekten, mit Gebäuden von Toyo Ito, Jean Nouvel und RCR Arquitectes.
Toyo Ito Turmbauten als neues Tor zur Barcelona-Messe
Die Torres Porta Fira, von Toyo Ito als symbolisches Eingangstor zum Messegelände von L’Hospitalet konzipiert, wurden 2010 fertiggestellt und bestehen aus zwei jeweils 110m hohen Türmen, die von den venezianischen Türmen der Plaça Espanya und vielleicht auch den Zwillingstürmen am Olympischen Hafens inspiriert sowie durch einstöckiges Sockelgeschoss miteinander verbunden sind. Von organischer Form, beherbergt der erste der beiden Türme das Hotel Porta Fira und erscheint auf den ersten Blick wie eine pilzförmige Säule mit kreisförmigem Grundriss. In Wirklichkeit beruht er jedoch auf einer äußerst komplexen Geometrie – der Grundriss ähnelt einer sich mit jedem Geschoss drehenden und variierenden Kleeblattform.
Die äußere Gestaltung erfolgt durch eine doppelte Fassade. Eine anspruchsvolle Vorhangfassade bildet die innere Hülle, während die äußere Haut aus einem System roter Aluminiumrohren besteht, die segmentiert und leicht geneigt angeordnet sind, um den vom Volumen ausgehenden Rotationseffekt zu verstärken. Dieses Metallgitter wird unterbrochen, um Öffnungen in Form von Fenstern zu ermöglichen. Der Grundriss des Hotels ist um einen kreisförmigen strukturellen Kern herum organisiert, der die vertikale Erschließung enthält und von einem ringförmigen Flur umgeben ist, der den Zugang zu den Zimmern ermöglicht.
Der zweite Turm in Form eines rechteckigen Parallelepipeds dient als Bürogebäude. Er verfügt über eine Variante der Vorhangfassade, die die Geschossplatten hervorstehen lässt, sowie über einen ähnlichen Erschließungskern wie das Hotel, jedoch exzentrisch und leicht oval geformt. Dieses rote Element ist in der Fassade als eine geschwungene vertikale Achse sichtbar, die mit der Gestalt des Hotels in Dialog tritt.
Jean Nouvel schafft einen vertikalen Garten im Inneren eines Hotels
Auch das Hotel Renaissance Barcelona Fira (2012), erneut ein Werk des viel beschäftigten Jean Nouvel, ist Teil der Neugestaltung der Plaça d’Europa.
In Anlehnung an die Türme von Ito erreicht das Gebäude mit seinen drei weißen und einer schwarzen Fassade ebenfalls eine Höhe von 110 m. Das Gebäude ist in zwei nahezu identische rechteckige Prismen unterteilt, die durch ein riesiges offenes Atrium unterschiedlicher Höhe miteinander verbunden sind und mit einem großen, baumbestandenen Dach abschließen, auf dem sich der Pool befindet. Das Atrium wird als Fissur zwischen den Zimmerblöcken wahrgenommen und erhält durch Treppen und Stege, die sich in einem Raum kreuzen, der von Piranesi inspiriert zu sein scheint, ein hohes Maß an Komplexität.
Auf fast allen Geschossebenen ist Vegetation vorhanden, und entwickelt sich zuweilen, wie auf der Etage des Restaurants, zu authentischen Gärten. Das Gebäude verwendet zudem Palmen als Leitmotiv. Es scheint zwischen ihnen hervorzutreten, denn sie sind auf Terrassen in unterschiedlichen Höhen präsent und inspirieren schließlich die Öffnungen sowie die im Siebdruckmuster auf das Glas aufgebrachten Muster, die zwei seiner Fassaden definieren. Die Öffnungen verleihen den Zimmern ein besonderes Flair.
Von der Plaça d’Europa zum Flughafen
Das oben erwähnte Gebäudeensemble wird noch durch zwei weitere Gebäude ergänzt: die neue, ebenfalls von Toyo Ito entworfene Messehalle für die Fira de Barcelona sowie ein originelles, gestaffeltes Bürogebäude von RCR Arquitectes. Das Projekt der Katalanen passt sich mit seinem abgestuften horizontalen Volumen an die städtebaulichen Gegebenheiten des Umfelds an. Sein Alleinstellungsmerkmal besteht in einer Reihe schlanker Stahlportale, die den Eindruck geometrischer Rippen erwecken und jegliches tragende Element im Gebäudeinneren überflüssig macht.
In die illustre Gruppe der Pritzker-Bauten entlang der Gran Via reiht sich schließlich ein letztes, erneut von Richard Rogers entworfenes Gebäude ein. Tatsächlich handelt es sich um das erste seiner Art, das an der Verkehrsachse errichtet wurde. Das Hotel Hyatt Regency Barcelona Tower (2006), welches sich bereits in L’Hospitalet befindet, ist unter anderem aufgrund seines ungewöhnlichen oberen Abschlusses zu einem weiteren Wahrzeichen geworden: einer auskragenden, an die sphärischen Konstruktionen Buckminster Fullers erinnernde Glaskuppel. Der 29-stöckige Turm, der sie trägt, ist in zwei Segmente unterteilt, die sich in ihrem strukturellen und formalen Aufbau voneinander unterscheiden. Der untere Teil verfügt über große mit Stahlrohren abgespannte Betonpfeiler, während der obere Teil ein als starrer Sonnenschutz dienendes durchgehendes Betonraster aufweist.
Amuse-bouches im Eixample: Kleinskalige Interventionen im Bestand
Auch die großen Stars der Architektur schaffen manchmal kleine Juwelen, die wir nicht übersehen sollten. In Barcelona gibt es mindestens zwei Beispiele für von Pritzker-Preisträgern vorgenommenen Umbauten von Gastronomiegebäuden. Beide in den 2010er Jahren realisierten Eingriffe verwandeln bestehende Räume auf einfallsreiche Weise und knüpfen an eine lokale Tradition an, die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre ihren ersten Höhepunkt erreichte, als die Innenarchitektur in Barcelona internationale Maßstäbe setzten.
Jean Nouvel modernisiert die Brauerei Moritz
Im Restaurant Fàbrica Moritz (2011) stellt Jean Nouvel die Räumlichkeiten der alten Brauerei wieder her, verändert jedoch deren Atmosphäre durch den Einsatz von Transparenz, Licht und Farbe erheblich. Künstliche Beleuchtung spielt eine führende Rolle, indem große Paneele an Wänden und Decke den Raum in goldene und granatrote Farbtöne tauchen. Texturen tragen ebenfalls zum sinnlichen Erlebnis bei, da die alten Ziegelwände, Korkverkleidungen und Stahlträger sichtbar gelassen werden und mit den neuen Elementen kontrastieren.
Am Boden sind die originalen hydraulischen Fliesen mit einer transparenten Harzschicht überzogen, wodurch eine reflektierende Oberfläche entsteht, die im Zusammenspiel mit den zahlreichen strategisch im Raum platzierten Spiegeln darauf abzielt, die Beleuchtung zu verbessern und unerwartete visuelle Effekte zwischen Innen- und Außenbereich zu schaffen. Im Innenhof nutzt Nouvel einen zwischen den benachbarten Gebäuden bestehenden Restraum, um ein überraschendes System von Terrassen auf verschiedenen Ebenen zu schaffen, die durch Treppen verbunden und einen vertikalen Garten ergänzt werden.
Das Restaurant Enigma von RCR Arquitectes
Das zweite bemerkenswerte Projekt in dieser Kategorie ist das Restaurant Enigma (2016) von RCR Arquitectes, in dem das Zusammenspiel von Gästen und Köchen in einem funktionalen, sensorischen und einzigartigen Raum angestrebt wird. Dieser wird durch strukturierte transluzente Wandelemente unterteilt, die mit Oberflächen aus gesintertem Stein und geschwungenem Mobiliar kombiniert werden, während der Boden ein Aquarell nachbildet, das mit der „künstlichen Wolke“ an der Decke in Dialog tritt. All diese Elemente verleihen dem Restaurant seinen von den Designern angestrebten organischen und zugleich traumhaften Charakter.
Barcelona, eine ideale Stadt, um sich mit Pritzker-Preisträgern und ihren Werken vertraut zu machen
Mit diesen einzigartigen Umbauprojekten schließen wir unseren Überblick über das von Pritzker-Preisträgern in Barcelona hinterlassene architektonische Erbe ab. Wir weisen darauf hin, dass wir einige Projekte unerwähnt gelassen haben und kurzlebige Vorschläge oder solche, deren Umsetzung nicht erfolgreich war, nicht berücksichtigt haben. Wie man sehen kann, hat Barcelona weit mehr als gotische Architektur und Gaudí zu bieten. Die Stadt ist geradezu prädestiniert, um die Werke der besten zeitgenössischen Architekten aus erster Hand kennenzulernen.
Text: Pedro Capriata
LITERATURVERZEICHNIS
Arenas, M. (2023) La ‚milla Pritzker‘ de L’Hospitalet: cinco edificios de autores premiados se concentran en la misma avenida. El Periódico.
https://www.elperiodico.com/es/hospitalet/20230308/arquitectos-granvia-hospitalet-ciudad-urbano-barcelona-municipal-diseno-pritzker-premio-84272649
Centre Obert d’Arquitectura (s.f.). ArquitecturaCatalana.Cat
https://www.arquitecturacatalana.cat/en
Cervelló M., Gausa M., Pla, M. (2013). BCN Barcelona: Guía de Arquitectura Moderna. Actar
Frampton, K. (1992). Modern Architecture. A Critical History. Thames and Hudson.
Ito, T. (2007). Arquitectura de límites difusos. Editorial GG.
Jodidio, P., Nouvel, J. (2022). Jean Nouvel by Jean Nouvel. 1981–2022. Taschen.
Oliva, J. (2023). Barcelona, la ciudad donde los premios Pritzker conviven con el Modernismo. La Vanguardia.
https://www.lavanguardia.com/vida/20230308/8810313/barcelona-ciudad-premios-pritzker-conviven-modernismo.html
Oshima, K. T. (2009). Arata Isozaki. Phaidon.
Rogers, R. (1997) Cities for a Small Planet. Faber & Faber.
The Pritzker Architecture Prize (s.f.).
https://www.pritzkerprize.com/
VV.AA. (2021). Barcelona. Modern Architecture & Design. Monsa.
Die Pritzker-Preisträger und ihre Bauten in Barcelona II
Weitere Pilgerorte für Architekturbegeisterte: Entdecken Sie die Stadt anhand der Gebäudeentwürfe von sechs preisgekrönten Architekten
Barcelona festigt seine Rolle als Bezugspunkt für zeitgenössische Architektur
Wir knüpfen an unseren letzten Blogeintrag an, den wir von Pritzker-Preisträgern in Barcelona realisierten Projekten gewidmet hatten. Darin hatten wir eingangs einige Überlegungen zu dem als höchste Auszeichnung für Architektur geltenden Preis geteilt, insbesondere zu dessen Ursprüngen und Renommee. Ferner hatte unser Hauptaugenmerk auf Projekten gelegen, die Barcelona zum Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts veränderten, angefangen bei jenen Bauten, die anlässlich der Olympischen Spiele errichtet wurden, bis hin zu zwei im Rahmen der Neugestaltung des Stadtviertels Poblenou von Jean Nouvel ausgeführten Projekten. Im Folgenden werden wir uns vor allem auf Entwürfe konzentrieren, die in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind.
Kulturbauten aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts: das Caixa-Forum von Arata Isozaki
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erfuhr Barcelona einen bedeutenden Zuwachs an kulturellen Einrichtungen, unter denen einige von preisgekrönten Architekten entworfene Gebäude nicht fehlen durften. Eines der ersten war das CaixaForum (2002) von Arata Isozaki. ein weiterer erfolgreicher Eingriff des japanischen Meisters, der bei dieser Gelegenheit die Textilfabrik Casaramona von Josep Puig i Cadafalch primär zu einem Ausstellungsraum umgestaltet.
Sein subtiler und eleganter Ansatz lässt das modernistische Gebäude nahezu intakt, wobei dessen Haupthallen durch nur minimale Änderungen ihre Funktion ändern. Um einen Eingriff in die bestehenden Fassaden zu vermeiden, schafft Isozaki einen versunkenen Hof mit klaren Linien, der auf den benachbarten Mies van der Rohe-Pavillon anspielt und direkt in den Eingangsbereich im Untergeschoss überleitet. Eine zwei Bäumen nachempfundene Pergola aus Cortenstahl und Glas markiert den Hauptzugang auf Straßenniveau und verweist auf die Nutzungsänderung.
RCR Arquitectes: Die Transformation eines Blockinnenhofs
Ein weiterer herausragender Kulturbau dieser Zeit ist die Bibliothek Sant Antoni-Joan Oliver (2007) von RCR Arquitectes. Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramon Vilalta die einzigen katalanischen Architekten, die mit dem Pritzker-Preis geehrt wurden. Das Projekt steht im Zusammenhang mit der Rückgewinnung eines für den Stadtteil Eixample typischen Blockinnenhofs und dessen Umwandlung in öffentlichen Raum.
Die Gebäudevolumetrie ist in zwei große Blöcke gegliedert, ein vertikales, an die Straßenflucht der Carrer Comte Borrell angepasstes sowie ein horizontal ausgerichtetes, den neuen Innenhof umgebendes Volumen. Der vertikale Baukörper ist in zwei mit Cortenstahlblech verkleidete Prismen unterteilt, in denen die vertikale Erschließung der Bibliothek untergebracht ist. Diese wiederum werden durch zwei verglaste, mit Leseräumen ausgestattete Prismen überbrückt, die ein riesiges Tor zum Blockinneren bilden. Die Bibliothek erstreckt sich auch über den horizontalen Baukörper und fungiert dank des verglasten Fassadenbands, das sie von der parallel zu ihr verlaufenden inneren Straße trennt, als Übergangselement.
Auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich ein Seniorenzentrum mit Zugang vom Innenhof, in dem zur Förderung des sozialen Miteinanders ein Kinderspielplatz angelegt wurde. Die dem Blockinnern zugewandten Fassaden sind in zwei Schichten aufgebaut, so dass sich ein begehbarer Zwischenraum herausbildet. Dabei ist die innere Gebäudehülle aus Glas, die äußere in Analogie zu den restlichen Fassaden aus Cortenstahlblech ausgeführt.
Richard Rogers markiert den Beginn einer „Pritzker-Achse“
Es ist eher einer Reihe von Zufällen als einer sorgfältigen Planung zu verdanken, dass die Gran Via de les Corts Catalanes zu einer Achse geworden ist, auf der sich mindestens sechs von Pritzker-Preisträgern entworfene Gebäude befinden. Das erste davon befindet sich in einem noch relativ zentral gelegenen Teil der Stadt, der Plaça d’Espanya. und beruht auf einem gleichermaßen interessanten wie kontroversen Planungsvorhaben: der Umwandlung der Stierkampfarena Les Arenes in ein Einkaufszentrum (2011).
Die entstandene Debatte war dabei weniger der Nutzungsänderung geschuldet, sondern vielmehr der Idee, nahezu den gesamten historischen Baukörper abzureißen und lediglich dessen Fassade ab dem ersten Stock zu erhalten. Niemand geringerer als Stararchitekt Richard Rogers ist für diesen radikalen Ansatz verantwortlich, durch den ein durchlässigeres und transparenteres Erdgeschoss geschaffen wird, das für die neue Nutzung geeignet ist. Die verbliebene Fassade wird von einem Beton- und Stahlring ganz im Stil des Architekten getragen, der die technologischen und konstruktiven Elemente mit besonderem Nachdruck einsetzt und sie mit auffälligen Farben hervorhebt. Diese Sprache setzt sich auch im Inneren des Gebäudes fort, wo die neue Metallstruktur das mehrstöckige Foyer auf eindrucksvolle Weise durchdringt.
David Chipperfield erschafft eine Stadt in der Stadt
Auf dem Weg zum Flughafen stoßen wir auf ein noch ehrgeizigeres Projekt als das zuvor genannte. Es handelt sich um die Ciutat de la Justicia (2009), entworfen vom jüngsten Pritzker-Preisträger, dem Briten David Chipperfield, mit dem Ziel, verschiedene zwischen Barcelona und Hospitalet verteilte Justizbehörden zu vereinen.
Dieses kleine städtische Ensemble besteht aus quaderförmigen Gebäuden ähnlicher Bauart, die in einem scheinbar zufälligen Muster auf einer Plattform angeordnet sind, die als öffentlicher Platz fungiert. Vier dieser Gebäude sind durch einen unregelmäßigen Baukörper miteinander verbunden, der sich über die ersten vier Etagen erstreckt. Er beherbergt den Eingangsbereich, ein Ort von hoher räumlicher Qualität, organisiert die Erschließung und fungiert als Filter im Hinblick auf die nicht frei zugänglichen Bereiche.
Die Fassaden aller Baukörper verfügen über ein dichtes Raster tragender Betonelemente, die einen regelmäßigen Rhythmus vertikaler Öffnungen erzeugen. Jedes Gebäude unterscheidet sich in seiner Funktion, Volumen und Farbe, und obwohl die Farbpalette sehr subtil ist, erleichtert die Ausdifferenzierung die Orientierung.
Die Plaça d’Europa: ein neues städtebaulich-architektonisches Zentrum
Die Gran Via überquert die Stadtgrenze Barcelonas und erreicht die Plaça d’Europa in L’Hospitalet de Llobregat, die sich zu einem weiteren wichtigen Pol der Stadterneuerung entwickelt hat. Zwischen 2007 und 2010 erlebte dieser Sektor einen radikalen Wandel mit der Umgestaltung des Platzes nach Plänen von Albert Viaplana und dem Bau mehrerer Hotels, Büros, Wohnungen und Messehallen durch international renommierte Architekten, mit Gebäuden von Toyo Ito, Jean Nouvel und RCR Arquitectes.
Toyo Ito Turmbauten als neues Tor zur Barcelona-Messe
Die Torres Porta Fira, von Toyo Ito als symbolisches Eingangstor zum Messegelände von L’Hospitalet konzipiert, wurden 2010 fertiggestellt und bestehen aus zwei jeweils 110m hohen Türmen, die von den venezianischen Türmen der Plaça Espanya und vielleicht auch den Zwillingstürmen am Olympischen Hafens inspiriert sowie durch einstöckiges Sockelgeschoss miteinander verbunden sind. Von organischer Form, beherbergt der erste der beiden Türme das Hotel Porta Fira und erscheint auf den ersten Blick wie eine pilzförmige Säule mit kreisförmigem Grundriss. In Wirklichkeit beruht er jedoch auf einer äußerst komplexen Geometrie – der Grundriss ähnelt einer sich mit jedem Geschoss drehenden und variierenden Kleeblattform.
Die äußere Gestaltung erfolgt durch eine doppelte Fassade. Eine anspruchsvolle Vorhangfassade bildet die innere Hülle, während die äußere Haut aus einem System roter Aluminiumrohren besteht, die segmentiert und leicht geneigt angeordnet sind, um den vom Volumen ausgehenden Rotationseffekt zu verstärken. Dieses Metallgitter wird unterbrochen, um Öffnungen in Form von Fenstern zu ermöglichen. Der Grundriss des Hotels ist um einen kreisförmigen strukturellen Kern herum organisiert, der die vertikale Erschließung enthält und von einem ringförmigen Flur umgeben ist, der den Zugang zu den Zimmern ermöglicht.
Der zweite Turm in Form eines rechteckigen Parallelepipeds dient als Bürogebäude. Er verfügt über eine Variante der Vorhangfassade, die die Geschossplatten hervorstehen lässt, sowie über einen ähnlichen Erschließungskern wie das Hotel, jedoch exzentrisch und leicht oval geformt. Dieses rote Element ist in der Fassade als eine geschwungene vertikale Achse sichtbar, die mit der Gestalt des Hotels in Dialog tritt.
Jean Nouvel schafft einen vertikalen Garten im Inneren eines Hotels
Auch das Hotel Renaissance Barcelona Fira (2012), erneut ein Werk des viel beschäftigten Jean Nouvel, ist Teil der Neugestaltung der Plaça d’Europa.
In Anlehnung an die Türme von Ito erreicht das Gebäude mit seinen drei weißen und einer schwarzen Fassade ebenfalls eine Höhe von 110 m. Das Gebäude ist in zwei nahezu identische rechteckige Prismen unterteilt, die durch ein riesiges offenes Atrium unterschiedlicher Höhe miteinander verbunden sind und mit einem großen, baumbestandenen Dach abschließen, auf dem sich der Pool befindet. Das Atrium wird als Fissur zwischen den Zimmerblöcken wahrgenommen und erhält durch Treppen und Stege, die sich in einem Raum kreuzen, der von Piranesi inspiriert zu sein scheint, ein hohes Maß an Komplexität.
Auf fast allen Geschossebenen ist Vegetation vorhanden, und entwickelt sich zuweilen, wie auf der Etage des Restaurants, zu authentischen Gärten. Das Gebäude verwendet zudem Palmen als Leitmotiv. Es scheint zwischen ihnen hervorzutreten, denn sie sind auf Terrassen in unterschiedlichen Höhen präsent und inspirieren schließlich die Öffnungen sowie die im Siebdruckmuster auf das Glas aufgebrachten Muster, die zwei seiner Fassaden definieren. Die Öffnungen verleihen den Zimmern ein besonderes Flair.
Von der Plaça d’Europa zum Flughafen
Das oben erwähnte Gebäudeensemble wird noch durch zwei weitere Gebäude ergänzt: die neue, ebenfalls von Toyo Ito entworfene Messehalle für die Fira de Barcelona sowie ein originelles, gestaffeltes Bürogebäude von RCR Arquitectes. Das Projekt der Katalanen passt sich mit seinem abgestuften horizontalen Volumen an die städtebaulichen Gegebenheiten des Umfelds an. Sein Alleinstellungsmerkmal besteht in einer Reihe schlanker Stahlportale, die den Eindruck geometrischer Rippen erwecken und jegliches tragende Element im Gebäudeinneren überflüssig macht.
In die illustre Gruppe der Pritzker-Bauten entlang der Gran Via reiht sich schließlich ein letztes, erneut von Richard Rogers entworfenes Gebäude ein. Tatsächlich handelt es sich um das erste seiner Art, das an der Verkehrsachse errichtet wurde. Das Hotel Hyatt Regency Barcelona Tower (2006), welches sich bereits in L’Hospitalet befindet, ist unter anderem aufgrund seines ungewöhnlichen oberen Abschlusses zu einem weiteren Wahrzeichen geworden: einer auskragenden, an die sphärischen Konstruktionen Buckminster Fullers erinnernde Glaskuppel. Der 29-stöckige Turm, der sie trägt, ist in zwei Segmente unterteilt, die sich in ihrem strukturellen und formalen Aufbau voneinander unterscheiden. Der untere Teil verfügt über große mit Stahlrohren abgespannte Betonpfeiler, während der obere Teil ein als starrer Sonnenschutz dienendes durchgehendes Betonraster aufweist.
Amuse-bouches im Eixample: Kleinskalige Interventionen im Bestand
Auch die großen Stars der Architektur schaffen manchmal kleine Juwelen, die wir nicht übersehen sollten. In Barcelona gibt es mindestens zwei Beispiele für von Pritzker-Preisträgern vorgenommenen Umbauten von Gastronomiegebäuden. Beide in den 2010er Jahren realisierten Eingriffe verwandeln bestehende Räume auf einfallsreiche Weise und knüpfen an eine lokale Tradition an, die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre ihren ersten Höhepunkt erreichte, als die Innenarchitektur in Barcelona internationale Maßstäbe setzten.
Jean Nouvel modernisiert die Brauerei Moritz
Im Restaurant Fàbrica Moritz (2011) stellt Jean Nouvel die Räumlichkeiten der alten Brauerei wieder her, verändert jedoch deren Atmosphäre durch den Einsatz von Transparenz, Licht und Farbe erheblich. Künstliche Beleuchtung spielt eine führende Rolle, indem große Paneele an Wänden und Decke den Raum in goldene und granatrote Farbtöne tauchen. Texturen tragen ebenfalls zum sinnlichen Erlebnis bei, da die alten Ziegelwände, Korkverkleidungen und Stahlträger sichtbar gelassen werden und mit den neuen Elementen kontrastieren.
Am Boden sind die originalen hydraulischen Fliesen mit einer transparenten Harzschicht überzogen, wodurch eine reflektierende Oberfläche entsteht, die im Zusammenspiel mit den zahlreichen strategisch im Raum platzierten Spiegeln darauf abzielt, die Beleuchtung zu verbessern und unerwartete visuelle Effekte zwischen Innen- und Außenbereich zu schaffen. Im Innenhof nutzt Nouvel einen zwischen den benachbarten Gebäuden bestehenden Restraum, um ein überraschendes System von Terrassen auf verschiedenen Ebenen zu schaffen, die durch Treppen verbunden und einen vertikalen Garten ergänzt werden.
Das Restaurant Enigma von RCR Arquitectes
Das zweite bemerkenswerte Projekt in dieser Kategorie ist das Restaurant Enigma (2016) von RCR Arquitectes, in dem das Zusammenspiel von Gästen und Köchen in einem funktionalen, sensorischen und einzigartigen Raum angestrebt wird. Dieser wird durch strukturierte transluzente Wandelemente unterteilt, die mit Oberflächen aus gesintertem Stein und geschwungenem Mobiliar kombiniert werden, während der Boden ein Aquarell nachbildet, das mit der „künstlichen Wolke“ an der Decke in Dialog tritt. All diese Elemente verleihen dem Restaurant seinen von den Designern angestrebten organischen und zugleich traumhaften Charakter.
Barcelona, eine ideale Stadt, um sich mit Pritzker-Preisträgern und ihren Werken vertraut zu machen
Mit diesen einzigartigen Umbauprojekten schließen wir unseren Überblick über das von Pritzker-Preisträgern in Barcelona hinterlassene architektonische Erbe ab. Wir weisen darauf hin, dass wir einige Projekte unerwähnt gelassen haben und kurzlebige Vorschläge oder solche, deren Umsetzung nicht erfolgreich war, nicht berücksichtigt haben. Wie man sehen kann, hat Barcelona weit mehr als gotische Architektur und Gaudí zu bieten. Die Stadt ist geradezu prädestiniert, um die Werke der besten zeitgenössischen Architekten aus erster Hand kennenzulernen.
Text: Pedro Capriata
LITERATURVERZEICHNIS
Arenas, M. (2023) La ‚milla Pritzker‘ de L’Hospitalet: cinco edificios de autores premiados se concentran en la misma avenida. El Periódico.
https://www.elperiodico.com/es/hospitalet/20230308/arquitectos-granvia-hospitalet-ciudad-urbano-barcelona-municipal-diseno-pritzker-premio-84272649
Centre Obert d’Arquitectura (s.f.). ArquitecturaCatalana.Cat
https://www.arquitecturacatalana.cat/en
Cervelló M., Gausa M., Pla, M. (2013). BCN Barcelona: Guía de Arquitectura Moderna. Actar
Frampton, K. (1992). Modern Architecture. A Critical History. Thames and Hudson.
Ito, T. (2007). Arquitectura de límites difusos. Editorial GG.
Jodidio, P., Nouvel, J. (2022). Jean Nouvel by Jean Nouvel. 1981–2022. Taschen.
Oliva, J. (2023). Barcelona, la ciudad donde los premios Pritzker conviven con el Modernismo. La Vanguardia.
https://www.lavanguardia.com/vida/20230308/8810313/barcelona-ciudad-premios-pritzker-conviven-modernismo.html
Oshima, K. T. (2009). Arata Isozaki. Phaidon.
Rogers, R. (1997) Cities for a Small Planet. Faber & Faber.
The Pritzker Architecture Prize (s.f.).
https://www.pritzkerprize.com/
VV.AA. (2021). Barcelona. Modern Architecture & Design. Monsa.