Sozialer Wohnungsbau in Barcelonas Bezirk Sant Martí

Architektonische und städtebauliche Beiträge zum Abbau des Wohnraumdefizits und zur Verbesserung der Lebensqualität in Kataloniens Hauptstadt

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Die städtebauliche Erneuerung des Bezirks Sant Martí

Der Bezirk Sant Martí, und insbesondere dessen Stadtteil Poblenou, ist heute eines der dynamischsten Gebiete Barcelonas, nachdem sich dort in den letzten zwei Jahrzehnten ein tiefgreifender Wandel vollzogen hat. Sein Aufschwung ist größtenteils auf das Projekt 22@ zurückzuführen, mit dem die Stadt die Umgestaltung eines verlassenen Industriegebiets zu einem Technologie- und Innovationscluster verfolgt. Diese Prämisse lässt zunächst an ein zentrales Geschäftsviertel voller Hightech-Gebäude und Büros denken. Doch gemäß den Grundsätzen der zeitgenössischen Stadtplanung soll das 22@ weit mehr sein. Es handelt sich um ein umfassendes Konzept, das nicht nur die Ansiedlung von Technologieunternehmen wirksam fördert, sondern auch die ganzheitliche Erneuerung des Viertels vorantreibt. Dazu gehören die Ausweitung von Grün- und Fußgängerzonen, der Erhalt des industriellen Erbes, der Ausbau öffentlicher Dienstleistungen sowie die Schaffung zusätzlichen Wohnraums – alles im Rahmen eines nachhaltigen Ansatzes.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

In unserem Blog haben wir bereits auf die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus im zeitgenössischen und großstädtischen Kontext hingewiesen. Unser erster Blogeintrag zum Thema sozialer Wohnungsbau in Barcelona endete mit der Ankündigung eines Großvorhabens, das heute kurz vor seiner Fertigstellung steht: die Illa Glòries, eines der ambitioniertesten Wohnbauprojekte der letzten Jahrzehnte in Bezug auf Umfang und Reichweite.

Der vorliegende Text wird sich speziell auf den Bezirk Sant Martí konzentrieren und die zentrale Rolle hervorheben, die der soziale Wohnungsbau in der dortigen Stadterneuerung einnimmt. In der Vergangenheit haben wir hier bereits einige herausragende Projekte erwähnt, darunter das Wohngebäude in der Carrer de Tànger (2018) von Jaime Coll und Judith Leclerc.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

Der Genossenschaftswohnbau La Balma des Architekturkollektivs Lacol in Zusammenarbeit mit La Boqueria

Bereits in unserem ersten Blogartikel über sozialen Wohnungsbau in Barcelona hatten wir uns mit dem Konzept des genossenschaftlichen Wohnungsbaus befasst, das in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Über die sozialen und wirtschaftlichen Implikationen hinaus hat dieser Ansatz auch bemerkenswerte Ergebnisse in der Architektur hervorgebracht, im lokalen Kontext insbesondere durch das Kollektiv Lacol. Den von ihnen zusammen mit dem Architekturbüro La Boqueria entworfenen, inmitten des Innovations- und Technologieviertels 22@ gelegenen Genossenschaftswohnbau La Balma (2021) hatten wir erstmals in unserem Blogeintrag über neue Holzarchitektur in Barcelona als Beispiel aufgeführt.

Dies ist eines von vielen aktuellen Projekten, bei denen der moderne Werkstoff Brettsperrholz (CLT) zum Tragen kommt und damit eine Bauweise, die neben anderen Vorzügen auch den CO2-Fußabdruck beim Hausbau erheblich reduziert. La Balma ist aber nicht nur wegen seiner Konstruktion interessant. Innovativ ist auch die innere Gebäudeorganisation, die von Etage zu Etage variiert und dabei Prinzipien wie Flexibilität bei der Wohnraumgestaltung, Energieeffizienz und thermischen Komfort berücksichtigt.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria

Das Gebäude hat die Form eines regelmäßigen Prismas und verfügt über drei Fassaden. Die Gebäudehülle, die mit Ausnahme des Erdgeschosses mit Wellblech verkleidet ist, ist durch zahlreiche unregelmäßige Öffnungen durchbrochen, um eine Abfolge von Terrassen, Treppen, Galerien und anderen gemeinschaftlichen Räumen freizugeben. Die Erschließungsflächen sind ebenfalls als Orte der Begegnung konzipiert und stehen im Einklang mit dem genossenschaftlichen Geist des Projekts. Sie erinnern an die Casa Bloc (1933–39), ein Wegweiser für sozialen Wohnbau in Barcelona von Josep Lluís Sert, Joan Baptista Subirana und Josep Torres Clavé.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

BAAS Arquitectura: 68 Sozialwohnungen im 22@

Die Bedeutung der von BAAS Arquitectura unter der Leitung von Jordi Badia entworfenen 68 Sozialwohnungen im 22@ (2019) reicht über die Grenzen des Gebäudes selbst hinaus. Das Projekt befindet sich in einem Häuserblock, dessen Form und Abmessungen den Vorgaben des Eixample-Plans von Ildefons Cerdà entsprechen, in dem die Baukörper jedoch abweichend angeordnet sind. Der Blockrand wird hier nicht durchgängig bebaut, sondern die für das Eixample so typischen abgeschrägten Ecken (xamfrans) bleiben offen.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Das von BAAS entworfene Wohngebäude befindet sich im Blockinneren, eingerahmt zwischen zwei Grünflächen, die im Rahmen des nachhaltigen städtischen Entwässerungssystems (SuDS) angelegt wurden. Nur wenige Meter entfernt befindet sich auf der einen Seite eine sogenannte Superilla (Superblock), auf der anderen eine Grünachse, beides städtebauliche Maßnahmen, die wir in unserem Blogartikel über das Stadtentwicklungskonzept der Superblocks ausführlich besprochen haben. Dadurch ist das Gebäude vollständig in den umfassenden Transformations- und Renaturierungsprozess des Viertels eingebunden.

Wie andere Bauten in der Gegend verfügt es über ein abgestuftes, längliches Volumen mit einem jeweils sieben- und zwölfstöckigen Abschnitt, über abgeschrägte Ecken und leichte Variationen in der vertikalen Entwicklung. Besonders auffällig ist die elegante Ästhetik des Gebäudes, geprägt durch die Verwendung von dunklem Ziegelmauerwerk und horizontalen Fensterbändern – ein eher ungewöhnliches Element in Barcelonas neueren Wohnungsbauten, das hier gezielt zur Verbesserung der Aussicht und Belichtung der Wohnungen eingesetzt wurde.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Die Fassadengestaltung erinnert an die Werke der großen Meister des 20. Jahrhunderts, insbesondere an jene Alvar Aaltos, wie die Technische Universität Helsinki (1949–74) oder das Rathaus von Seinäjoki (1962). Interessanterweise finden sich jedoch auch in Barcelona selbst vergleichbare Vorbilder. In den gestaffelten Volumen schwingt die Formsprache des Wohngebäudes in der Barceloneta von José Antonio Coderch mit, während die Dominanz des Sichtziegels an weitere Mehrfamilienhäuser desselben Architekten erinnert. Auch lassen sich Parallelen zur Architektursprache des Wohngebäudes Johann Sebastian – Francesc Pérez-Cabrero von Ricardo Bofill Taller de Arquitectura erkennen.

Die unregelmäßig geformten verglasten Prismen im Erdgeschoss laden dazu ein, unter dem Gebäude durchzugehen sowie die Eingangsbereiche zu betreten. Die Gestaltung sorgt hier für eine ideale Durchlässigkeit zu den angrenzenden Gärten und mildert die Massivität des Gebäudes. Das Gebäudeinnere ist entsprechend seiner Höhenstaffelung in zwei Bereiche unterteilt, die über getrennte Erschließungssysteme verfügen. Ein zentraler, in Längsrichtung verlaufender Korridor organisiert jedoch das gesamte Gebäude und fasst alle Funktionsräume zusammen – mit Ausnahme der Treppenhäuser, deren Präsenz in der Fassade bewusst zurückgenommen wurde.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Social Atrium, 54 Sozialwohnungen von Peris+Toral Arquitectes

Zu den herausragenden Sozialwohnungsbauten in Sant Martí gehört außerdem das in der Carrer de Lluís Borrassà an der Grenze zu Sant Adrià de Besòs gelegene Social Atrium (2022). Entworfen wurde es vom katalanischen Architekturbüro Peris+Toral. Das Team um Marta Peris und José Toral hat sich gewissermaßen auf sozialen Wohnungsbau spezialisiert und leistet mit jedem Projekt einen wertvollen Beitrag zu dessen Weiterentwicklung – stets mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation. Beispiele dafür sind die 85 Sozialwohnungen in Cornellà de Llobregat, die wir bereits in unserem ersten Blogartikel über sozialen Wohnungsbau in Barcelona besprochen hatten, sowie ein bemerkenswertes Vorgängerprojekt im 22@, die 105 Seniorenwohnungen (2017) in Zusammenarbeit mit Esteve Bonell und Josep Maria Gil.

Das sich deutlich von anderen Projekten von Peris+Toral unterscheidende Social Atrium zeigt die Vielfalt möglicher Ansätze im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und unterstreicht die Vielseitigkeit dieses Architekturbüros.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Das freistehende, abgestufte Volumen weist zwei Bereiche mit deutlichen Höhenunterschieden auf und folgt damit einem für Gebäude im 22@-Viertel üblichen Muster. Alle vier Fassaden sind ähnlich gestaltet und zeichnen sich durch die Verwendung von Sichtziegeln sowohl für geschlossene Wände als auch für die attraktiven Ziergitter aus. Fenster und Gitterelemente folgen einem unregelmäßigen Verlauf, was dem Gebäude Dynamik verleiht. Im Erdgeschoss hingegen bildet das Gitter eine beinahe durchgehende Struktur, die nur in den Eingangsbereichen unterbrochen wird, um diese zu betonen. Das Ergebnis wirkt schlicht, enthält aber eine spielerische Nuance und knüpft an die lange Tradition der kreativen Verwendung von Ziegeln in Katalonien an – vom katalanischen Jugendstil über frühe Werke Ricardo Bofills bis hin zu aktuellen Projekten wie das Sportzentrum Camp del Ferro (2020) von AIA + Barceló Balanzó Arquitectes + Gustau Gili Galfetti.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes

Die vertikale Erschließung wird durch die Konzentration auf den höheren Gebäudebereich optimiert. Die horizontale Erschließung beschränkt sich auf die Treppenaufgänge in den oberen Stockwerken und verläuft in den unteren Stockwerken entlang der Längsachse des Gebäudes. An diesen Flur schließt sich ein versetzter Innenhof über vier Geschosse an. Trotz seiner begrenzten Grundfläche verbessert dieser Hof die Querlüftung der Wohnungen erheblich. Das zentrale Oberlicht sowie die teilweise geschwungenen und als Brücken angelegten Korridore ermöglichen ein großzügiges Raumgefühl und räumliche Vielfalt, die diesen Innenhof zum Herzstück des Gebäudes machen.

Die tragenden Elemente befinden sich in den Trennwänden zwischen den Wohnungen sowie in Bädern und Küchen. Dadurch bleibt der übrige Grundriss flexibel, sodass verschiedene Wohnkonfigurationen je nach Nutzerwunsch möglich sind. Abgerundet wird der Entwurf durch eine kleine Terrasse für jede Wohnung – ein wesentliches Element zur Steigerung der Wohnqualität.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes

Die nicht enden wollende Debatte über bezahlbaren Wohnraum

Der vielbeachtete Fall der Casa Orsola im Eixample hat das Wohnungsproblem in Barcelona erneut in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt – mit noch größerer Intensität als in den vergangenen Jahren. Während manch einer argumentiert, dass sozialer Wohnungsbau keine Lösung verspricht, stellt kaum jemand seine Bedeutung infrage. Vielmehr werden weitergehende Maßnahmen oder tiefgreifende Gesetzesänderungen gefordert, um das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen. In den meisten Fällen geht es darum, die Wohnraumpolitik auf verschiedenen Regierungsebenen zu stärken, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden.

Einigkeit besteht darüber, dass sozialer Wohnungsbau notwendiger denn je ist. Besonders erfreulich ist, dass Architekt*innen zunehmend Wert auf hohe gestalterische und funktionale Qualität legen, ohne dabei zwangsläufig die Baukosten zu steigern.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

In diesem Kontext ist der Bezirk Sant Martí ein paradigmatisches Beispiel für die in Barcelona geförderten Stadtplanungsansätze und deren ständige Weiterentwicklung. Im konkreten Fall des 22@ führte beispielsweise ein kürzlich abgeschlossener Partizipationsprozess zur Formulierung neuer Handlungsstrategien
und einer Änderung des Stadtentwicklungsplans für Barcelona – die Anpassung stärkt Ziele wie die Diversifizierung und Verbesserung des Angebots an Sozialwohnungen, aber auch die Entwicklung hin zu einer lebenswerteren, grüneren und nachhaltigeren Stadt.

Wie immer laden wir Sie ein, den Bezirk Sant Martí zu erkunden, um die positiven Effekte dieses noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozesses zu erleben, der sicherlich noch einige interessante Überraschungen bereithalten wird.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Text: Pedro Capriata

LITERATURVERZEICHNIS

A+T Architecture Publishers (2022). a+t 56: Generosity. Housing Design Strategies. – The Indeterminacy of the Floor Plan.

Arquitectura Viva (2019). Vivienda y alojamientos temporales, Barcelona. AV Monografías, Nº 213 -214. España 2019.
https://arquitecturaviva.com/obras/vivienda-y-alojamientos-temporales-en-barcelona

Beliaeva, L. (2025). Should public money be spent on buying private property? Catalan News.
https://www.catalannews.com/in-depth/item/should-public-money-be-spent-on-buying-private-property

Broto, C. (2014). Social Housing. Architecture and Design. UNKNO.

Capriata, P. (2023). Neuer sozialer Wohnbau in Barcelona, ein Vorbild für Innovation und Nachhaltigkeit. Guiding Architects Barcelona.
https://www.gabarcelona.com/de/blog/neuer-sozialer-wohnbau-barcelona/

Capriata, P. (2023). Neue Holzarchitektur in Barcelona. Guiding Architects Barcelona.
https://www.gabarcelona.com/de/blog/neue-holzarchitektur-barcelona/

Centre Obert d’Arquitectura (s.f.) ArquitecturaCatalana.Cat.
https://www.arquitecturacatalana.cat/en

Figuerola C., Bilbao I. (2023). Gestar-habitar: Estratègies per a l’habitatge social a Barcelona. Ajuntament de Barcelona.

Forner, G. (2022). Barcelona construye más vivienda pública que la Generalitat y la Comunidad de Madrid juntas. El Salto.
https://www.elsaltodiario.com/barcelona/construye-mas-vivienda-publica-madrid-generalitat-juntas

Frampton, K. (1992). Modern Architecture. A Critical History. Thames and Hudson.

La Gioia, A. (2020). BAAS Arquitectura, bloque de viviendas en el 22@. Spanish-Architects.
https://www.spanish-architects.com/es/architecture-news/obra-construida/baas-arquitectura-bloque-de-viviendas-en-el-22

Lacol (s.f.). La Balma habitatge cooperatiu.
https://www.lacol.coop/projectes/la-balma/

On Diseño (2022). 68 viviendas VPO en el 22@.
https://www.ondiseno.com/proyecto.php?id=2991

Peris+Toral Arquitectes (s.f.) Social Atrium – 54 Social housing in Barcelona, Barcelona (2022).
https://peristoral.com/proyectos/social-atrium-54-social-housing-barcelona

Vicente, S. (2022). Barcelona acuerda un crédito público de 140 millones para que fundaciones y cooperativas construyan vivienda social. elDiario.es
https://www.eldiario.es/catalunya/barcelona-acuerda-ico-icf-credito-140-millones-fundaciones-cooperativas-construyan-vivienda-publica_1_9207041.html

Published On: Februar 28, 2025Categories: blog
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Sozialer Wohnungsbau in Barcelonas Bezirk Sant Martí

Architektonische und städtebauliche Beiträge zum Abbau des Wohnraumdefizits und zur Verbesserung der Lebensqualität in Kataloniens Hauptstadt

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Die städtebauliche Erneuerung des Bezirks Sant Martí

Der Bezirk Sant Martí, und insbesondere dessen Stadtteil Poblenou, ist heute eines der dynamischsten Gebiete Barcelonas, nachdem sich dort in den letzten zwei Jahrzehnten ein tiefgreifender Wandel vollzogen hat. Sein Aufschwung ist größtenteils auf das Projekt 22@ zurückzuführen, mit dem die Stadt die Umgestaltung eines verlassenen Industriegebiets zu einem Technologie- und Innovationscluster verfolgt. Diese Prämisse lässt zunächst an ein zentrales Geschäftsviertel voller Hightech-Gebäude und Büros denken. Doch gemäß den Grundsätzen der zeitgenössischen Stadtplanung soll das 22@ weit mehr sein. Es handelt sich um ein umfassendes Konzept, das nicht nur die Ansiedlung von Technologieunternehmen wirksam fördert, sondern auch die ganzheitliche Erneuerung des Viertels vorantreibt. Dazu gehören die Ausweitung von Grün- und Fußgängerzonen, der Erhalt des industriellen Erbes, der Ausbau öffentlicher Dienstleistungen sowie die Schaffung zusätzlichen Wohnraums – alles im Rahmen eines nachhaltigen Ansatzes.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

In unserem Blog haben wir bereits auf die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus im zeitgenössischen und großstädtischen Kontext hingewiesen. Unser erster Blogeintrag zum Thema sozialer Wohnungsbau in Barcelona endete mit der Ankündigung eines Großvorhabens, das heute kurz vor seiner Fertigstellung steht: die Illa Glòries, eines der ambitioniertesten Wohnbauprojekte der letzten Jahrzehnte in Bezug auf Umfang und Reichweite.

Der vorliegende Text wird sich speziell auf den Bezirk Sant Martí konzentrieren und die zentrale Rolle hervorheben, die der soziale Wohnungsbau in der dortigen Stadterneuerung einnimmt. In der Vergangenheit haben wir hier bereits einige herausragende Projekte erwähnt, darunter das Wohngebäude in der Carrer de Tànger (2018) von Jaime Coll und Judith Leclerc.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

Der Genossenschaftswohnbau La Balma des Architekturkollektivs Lacol in Zusammenarbeit mit La Boqueria

Bereits in unserem ersten Blogartikel über sozialen Wohnungsbau in Barcelona hatten wir uns mit dem Konzept des genossenschaftlichen Wohnungsbaus befasst, das in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Über die sozialen und wirtschaftlichen Implikationen hinaus hat dieser Ansatz auch bemerkenswerte Ergebnisse in der Architektur hervorgebracht, im lokalen Kontext insbesondere durch das Kollektiv Lacol. Den von ihnen zusammen mit dem Architekturbüro La Boqueria entworfenen, inmitten des Innovations- und Technologieviertels 22@ gelegenen Genossenschaftswohnbau La Balma (2021) hatten wir erstmals in unserem Blogeintrag über neue Holzarchitektur in Barcelona als Beispiel aufgeführt.

Dies ist eines von vielen aktuellen Projekten, bei denen der moderne Werkstoff Brettsperrholz (CLT) zum Tragen kommt und damit eine Bauweise, die neben anderen Vorzügen auch den CO2-Fußabdruck beim Hausbau erheblich reduziert. La Balma ist aber nicht nur wegen seiner Konstruktion interessant. Innovativ ist auch die innere Gebäudeorganisation, die von Etage zu Etage variiert und dabei Prinzipien wie Flexibilität bei der Wohnraumgestaltung, Energieeffizienz und thermischen Komfort berücksichtigt.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria

Das Gebäude hat die Form eines regelmäßigen Prismas und verfügt über drei Fassaden. Die Gebäudehülle, die mit Ausnahme des Erdgeschosses mit Wellblech verkleidet ist, ist durch zahlreiche unregelmäßige Öffnungen durchbrochen, um eine Abfolge von Terrassen, Treppen, Galerien und anderen gemeinschaftlichen Räumen freizugeben. Die Erschließungsflächen sind ebenfalls als Orte der Begegnung konzipiert und stehen im Einklang mit dem genossenschaftlichen Geist des Projekts. Sie erinnern an die Casa Bloc (1933–39), ein Wegweiser für sozialen Wohnbau in Barcelona von Josep Lluís Sert, Joan Baptista Subirana und Josep Torres Clavé.

Genossenschaftswohnbau La Balma von Lacol und La Boqueria, © Milena Villalba

BAAS Arquitectura: 68 Sozialwohnungen im 22@

Die Bedeutung der von BAAS Arquitectura unter der Leitung von Jordi Badia entworfenen 68 Sozialwohnungen im 22@ (2019) reicht über die Grenzen des Gebäudes selbst hinaus. Das Projekt befindet sich in einem Häuserblock, dessen Form und Abmessungen den Vorgaben des Eixample-Plans von Ildefons Cerdà entsprechen, in dem die Baukörper jedoch abweichend angeordnet sind. Der Blockrand wird hier nicht durchgängig bebaut, sondern die für das Eixample so typischen abgeschrägten Ecken (xamfrans) bleiben offen.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Das von BAAS entworfene Wohngebäude befindet sich im Blockinneren, eingerahmt zwischen zwei Grünflächen, die im Rahmen des nachhaltigen städtischen Entwässerungssystems (SuDS) angelegt wurden. Nur wenige Meter entfernt befindet sich auf der einen Seite eine sogenannte Superilla (Superblock), auf der anderen eine Grünachse, beides städtebauliche Maßnahmen, die wir in unserem Blogartikel über das Stadtentwicklungskonzept der Superblocks ausführlich besprochen haben. Dadurch ist das Gebäude vollständig in den umfassenden Transformations- und Renaturierungsprozess des Viertels eingebunden.

Wie andere Bauten in der Gegend verfügt es über ein abgestuftes, längliches Volumen mit einem jeweils sieben- und zwölfstöckigen Abschnitt, über abgeschrägte Ecken und leichte Variationen in der vertikalen Entwicklung. Besonders auffällig ist die elegante Ästhetik des Gebäudes, geprägt durch die Verwendung von dunklem Ziegelmauerwerk und horizontalen Fensterbändern – ein eher ungewöhnliches Element in Barcelonas neueren Wohnungsbauten, das hier gezielt zur Verbesserung der Aussicht und Belichtung der Wohnungen eingesetzt wurde.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Die Fassadengestaltung erinnert an die Werke der großen Meister des 20. Jahrhunderts, insbesondere an jene Alvar Aaltos, wie die Technische Universität Helsinki (1949–74) oder das Rathaus von Seinäjoki (1962). Interessanterweise finden sich jedoch auch in Barcelona selbst vergleichbare Vorbilder. In den gestaffelten Volumen schwingt die Formsprache des Wohngebäudes in der Barceloneta von José Antonio Coderch mit, während die Dominanz des Sichtziegels an weitere Mehrfamilienhäuser desselben Architekten erinnert. Auch lassen sich Parallelen zur Architektursprache des Wohngebäudes Johann Sebastian – Francesc Pérez-Cabrero von Ricardo Bofill Taller de Arquitectura erkennen.

Die unregelmäßig geformten verglasten Prismen im Erdgeschoss laden dazu ein, unter dem Gebäude durchzugehen sowie die Eingangsbereiche zu betreten. Die Gestaltung sorgt hier für eine ideale Durchlässigkeit zu den angrenzenden Gärten und mildert die Massivität des Gebäudes. Das Gebäudeinnere ist entsprechend seiner Höhenstaffelung in zwei Bereiche unterteilt, die über getrennte Erschließungssysteme verfügen. Ein zentraler, in Längsrichtung verlaufender Korridor organisiert jedoch das gesamte Gebäude und fasst alle Funktionsräume zusammen – mit Ausnahme der Treppenhäuser, deren Präsenz in der Fassade bewusst zurückgenommen wurde.

68 Sozialwohnungen im 22@ von BAAS Arquitectura, © Adriá Goula

Social Atrium, 54 Sozialwohnungen von Peris+Toral Arquitectes

Zu den herausragenden Sozialwohnungsbauten in Sant Martí gehört außerdem das in der Carrer de Lluís Borrassà an der Grenze zu Sant Adrià de Besòs gelegene Social Atrium (2022). Entworfen wurde es vom katalanischen Architekturbüro Peris+Toral. Das Team um Marta Peris und José Toral hat sich gewissermaßen auf sozialen Wohnungsbau spezialisiert und leistet mit jedem Projekt einen wertvollen Beitrag zu dessen Weiterentwicklung – stets mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation. Beispiele dafür sind die 85 Sozialwohnungen in Cornellà de Llobregat, die wir bereits in unserem ersten Blogartikel über sozialen Wohnungsbau in Barcelona besprochen hatten, sowie ein bemerkenswertes Vorgängerprojekt im 22@, die 105 Seniorenwohnungen (2017) in Zusammenarbeit mit Esteve Bonell und Josep Maria Gil.

Das sich deutlich von anderen Projekten von Peris+Toral unterscheidende Social Atrium zeigt die Vielfalt möglicher Ansätze im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und unterstreicht die Vielseitigkeit dieses Architekturbüros.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Das freistehende, abgestufte Volumen weist zwei Bereiche mit deutlichen Höhenunterschieden auf und folgt damit einem für Gebäude im 22@-Viertel üblichen Muster. Alle vier Fassaden sind ähnlich gestaltet und zeichnen sich durch die Verwendung von Sichtziegeln sowohl für geschlossene Wände als auch für die attraktiven Ziergitter aus. Fenster und Gitterelemente folgen einem unregelmäßigen Verlauf, was dem Gebäude Dynamik verleiht. Im Erdgeschoss hingegen bildet das Gitter eine beinahe durchgehende Struktur, die nur in den Eingangsbereichen unterbrochen wird, um diese zu betonen. Das Ergebnis wirkt schlicht, enthält aber eine spielerische Nuance und knüpft an die lange Tradition der kreativen Verwendung von Ziegeln in Katalonien an – vom katalanischen Jugendstil über frühe Werke Ricardo Bofills bis hin zu aktuellen Projekten wie das Sportzentrum Camp del Ferro (2020) von AIA + Barceló Balanzó Arquitectes + Gustau Gili Galfetti.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes

Die vertikale Erschließung wird durch die Konzentration auf den höheren Gebäudebereich optimiert. Die horizontale Erschließung beschränkt sich auf die Treppenaufgänge in den oberen Stockwerken und verläuft in den unteren Stockwerken entlang der Längsachse des Gebäudes. An diesen Flur schließt sich ein versetzter Innenhof über vier Geschosse an. Trotz seiner begrenzten Grundfläche verbessert dieser Hof die Querlüftung der Wohnungen erheblich. Das zentrale Oberlicht sowie die teilweise geschwungenen und als Brücken angelegten Korridore ermöglichen ein großzügiges Raumgefühl und räumliche Vielfalt, die diesen Innenhof zum Herzstück des Gebäudes machen.

Die tragenden Elemente befinden sich in den Trennwänden zwischen den Wohnungen sowie in Bädern und Küchen. Dadurch bleibt der übrige Grundriss flexibel, sodass verschiedene Wohnkonfigurationen je nach Nutzerwunsch möglich sind. Abgerundet wird der Entwurf durch eine kleine Terrasse für jede Wohnung – ein wesentliches Element zur Steigerung der Wohnqualität.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes

Die nicht enden wollende Debatte über bezahlbaren Wohnraum

Der vielbeachtete Fall der Casa Orsola im Eixample hat das Wohnungsproblem in Barcelona erneut in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt – mit noch größerer Intensität als in den vergangenen Jahren. Während manch einer argumentiert, dass sozialer Wohnungsbau keine Lösung verspricht, stellt kaum jemand seine Bedeutung infrage. Vielmehr werden weitergehende Maßnahmen oder tiefgreifende Gesetzesänderungen gefordert, um das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen. In den meisten Fällen geht es darum, die Wohnraumpolitik auf verschiedenen Regierungsebenen zu stärken, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden.

Einigkeit besteht darüber, dass sozialer Wohnungsbau notwendiger denn je ist. Besonders erfreulich ist, dass Architekt*innen zunehmend Wert auf hohe gestalterische und funktionale Qualität legen, ohne dabei zwangsläufig die Baukosten zu steigern.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

In diesem Kontext ist der Bezirk Sant Martí ein paradigmatisches Beispiel für die in Barcelona geförderten Stadtplanungsansätze und deren ständige Weiterentwicklung. Im konkreten Fall des 22@ führte beispielsweise ein kürzlich abgeschlossener Partizipationsprozess zur Formulierung neuer Handlungsstrategien
und einer Änderung des Stadtentwicklungsplans für Barcelona – die Anpassung stärkt Ziele wie die Diversifizierung und Verbesserung des Angebots an Sozialwohnungen, aber auch die Entwicklung hin zu einer lebenswerteren, grüneren und nachhaltigeren Stadt.

Wie immer laden wir Sie ein, den Bezirk Sant Martí zu erkunden, um die positiven Effekte dieses noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozesses zu erleben, der sicherlich noch einige interessante Überraschungen bereithalten wird.

Social Atrium von Peris+Toral Arquitectes, © José Hevia

Text: Pedro Capriata

LITERATURVERZEICHNIS

A+T Architecture Publishers (2022). a+t 56: Generosity. Housing Design Strategies. – The Indeterminacy of the Floor Plan.

Arquitectura Viva (2019). Vivienda y alojamientos temporales, Barcelona. AV Monografías, Nº 213 -214. España 2019.
https://arquitecturaviva.com/obras/vivienda-y-alojamientos-temporales-en-barcelona

Beliaeva, L. (2025). Should public money be spent on buying private property? Catalan News.
https://www.catalannews.com/in-depth/item/should-public-money-be-spent-on-buying-private-property

Broto, C. (2014). Social Housing. Architecture and Design. UNKNO.

Capriata, P. (2023). Neuer sozialer Wohnbau in Barcelona, ein Vorbild für Innovation und Nachhaltigkeit. Guiding Architects Barcelona.
https://www.gabarcelona.com/de/blog/neuer-sozialer-wohnbau-barcelona/

Capriata, P. (2023). Neue Holzarchitektur in Barcelona. Guiding Architects Barcelona.
https://www.gabarcelona.com/de/blog/neue-holzarchitektur-barcelona/

Centre Obert d’Arquitectura (s.f.) ArquitecturaCatalana.Cat.
https://www.arquitecturacatalana.cat/en

Figuerola C., Bilbao I. (2023). Gestar-habitar: Estratègies per a l’habitatge social a Barcelona. Ajuntament de Barcelona.

Forner, G. (2022). Barcelona construye más vivienda pública que la Generalitat y la Comunidad de Madrid juntas. El Salto.
https://www.elsaltodiario.com/barcelona/construye-mas-vivienda-publica-madrid-generalitat-juntas

Frampton, K. (1992). Modern Architecture. A Critical History. Thames and Hudson.

La Gioia, A. (2020). BAAS Arquitectura, bloque de viviendas en el 22@. Spanish-Architects.
https://www.spanish-architects.com/es/architecture-news/obra-construida/baas-arquitectura-bloque-de-viviendas-en-el-22

Lacol (s.f.). La Balma habitatge cooperatiu.
https://www.lacol.coop/projectes/la-balma/

On Diseño (2022). 68 viviendas VPO en el 22@.
https://www.ondiseno.com/proyecto.php?id=2991

Peris+Toral Arquitectes (s.f.) Social Atrium – 54 Social housing in Barcelona, Barcelona (2022).
https://peristoral.com/proyectos/social-atrium-54-social-housing-barcelona

Vicente, S. (2022). Barcelona acuerda un crédito público de 140 millones para que fundaciones y cooperativas construyan vivienda social. elDiario.es
https://www.eldiario.es/catalunya/barcelona-acuerda-ico-icf-credito-140-millones-fundaciones-cooperativas-construyan-vivienda-publica_1_9207041.html

Published On: Februar 28, 2025Categories: blog
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